B) Das Ergebnis der Arbeit

1.) Die Art des Zusammenhanges Karl Barths mit den beiden Blumhardts

Am Anfang unseres letzten größeren Abschnittes, des Vergleiches der Theologie Barths mit der Verkündigung der beiden Blumhardts, trafen wir anhand der Erwähnungen der Blumhardts bei Barth vier Feststellungen, die wir uns dann durch den durchgeführten genauen Vergleich der theologischen Anschauungen beider entweder bestätigten oder abwandeln oder als falsch erklären lassen wollten. Diese vier Feststellungen waren:
1.) Barth hat sich mit den Blumhardts stark und häufig beschäftigt, so daß diese großen Einfluß auf ihn ausüben konnten.
2.) Barth hat die Beeinflussung seines Denkens durch die Blumhardts, die bis zum Ende der dialektischen Periode geht, selbst zugegeben.
3.) Von einer direkten Abhängigkeit Barths von den Blumhardts kann nicht gesprochen werden, weil sich bei Barth ein völliger Neuanfang bemerkbar macht.
4.) Barth hat nicht allein von den Blumhardts gelernt, sondern auch andere Theologen haben starken Einfluß auf ihn ausgeübt. Die Ergebnisse unserer Untersuchung geben uns nun das Recht, diese vier Feststellungen folgendermaßen zu konkretisieren und zu erweitern:
a) Die aus der Häufigkeit und Wärme der Erwähnungen der Blumhardts durch Barth, in denen sich seine starke innere Anteilnahme an ihrem Denken und Wirken ausdrückt, sich ergebende Tatsache einer starken Hinwendung Barths zu dem Gedankengut der Blumhardts wurde durch den Vergleich der theologischen Anschauungen Barths mit denen der Blumhardts vollauf bestätigt. So konnten wir nachweisen, daß das gesamte theologische Denken Barths im Ganzen, in der Grundhaltung wie in Einzelheiten der Ausführung des Ganzen, in der Verkündigung der Blumhardts vom Reich Gottes vorgebildet war und durch Barth von den Blumhardts aufgegriffen und zu seiner eigenen Theologie umgestaltet und vollendet wurde.
b) Damit hat sich für uns auch die zweite Feststellung vollauf bestätigt. Die eigene Angabe Barths von einem starken Einfluß der Blumhardtschen Verkündigung auf sein eigenes Denken konnte von uns in vollem Umfang aus einem Vergleich beider miteinander nachgewiesen werden. Wir erkannten, wie die gemeinsame Verkündigung beider Blumhardts als Ganzes auf die ebenso innerlich einheitliche Theologie Barths von 1915-1924 eingewirkt und sie entscheidend bestimmt und geformt hat. Sowohl die Form des theologischen Denkens der Blumhardts und Barths, ihr Aktualismus und Realismus, und daraus folgend ihr Theozentrismus, Monismus und Universalismus, als auch der materiale Inhalt dieses Denkens in Sündenlehre, Soteriologie, Christologie, Eschatologie, Heilszueignungs- und Aneignungslehre, Ethik, in der Ausführung der Zentralanliegen und in der Gotteslehre beruhen auf den gleichen Grundlagen, hinter ihnen steht das gleiche theologische Interesse, das sie dann auch zu den gleichen Anwendungen und Ausführungen dieses Interesses führt. Das Grundanliegen, das die Verkündigung der Blumhardts wie die Theologie Barths beherrscht und den Zusammenhang beider bis in die Einzelheiten hinein herstellt, können wir von der Theologie Barths aus mit den Worten "Soli deo gloria" bezeichnen, die vorzeichenartig alles bestimmen und ausrichten. Das gleiche bedeutet die Bestimmung des Denkens der Blumhardts als Verkündigung vom Reich Gottes.
c) Die von uns gefundenen Unterschiede des Denkens Barths von der Verkündigung der Blumhardts zeigten uns die Richtigkeit der dritten Feststellung, daß nämlich von einer direkten unveränderten Fortsetzung der Verkündigung der Blumhardts durch Barth nicht die Rede sein kann, daß sich im Gegenteil bei Barth gegenüber den Blumhardts eine deutliche Wendung vollzogen hat, die seine Theologie auf eine andere Ebene rückt. Diese Veränderung bei Barth ist der Wechsel der Betonung im Verhältnis Aktualismus-Realismus, das in der formalen Struktur des Denkens der Blumhardts wie Barths die gleiche entscheidende Bedeutung hat. Während die Blumhardts den Realismus betonen, verschiebt Barth den Akzent ausdrücklich auf den Aktualismus hin. Hinter dieser Verschiebung verbirgt sich ein verschiedenes Gottesbild, in dem die Blumhardts die Wirklichkeit Gottes vor Augen haben, die sich durch das Handeln Gottes den Menschen offenbart, während Barth allen Nachdruck auf den handelnden und wirkenden Gott legt, der allein durch sein Handeln zu einer Wirklichkeit für den Menschen werden kann. Damit wird aber von Barth eine Inkonsequenz der Blumhardtschen Gottesvorstellung beseitigt, die schon in ihren inhaltlichen theologischen Ausführungen sich störend bemerkbar gemacht hatte, aber von ihnen nicht beseitigt worden war, weil sie sie noch nicht erkennen konnten. Auf diese Weise macht Barth den Weg frei zu einer Neu- und Weiterentwicklung der Blumhardtschen Verkündigung von ihrem Höhepunkt aus, den sie in der vierten Periode des jüngeren Blumhardt erreicht hatte, auf dem Barth selbst sie zuerst kennengelernt hat. Die Verwandlung der Verkündigung in Theologie wird nun vollzogen; sie ist das eigentlich große und bedeutsame Werk Barths, durch das er die Leistung der Blumhardts vor dem Vergessenwerden gerettet, der Mit- und Nachwelt dargeboten und so erneuert und vollendet hat. Alle weiteren Unterschiede Barths gegenüber den Blumhardts, vor allem seine Fortschritte in der Gotteslehre, besonders in Bezug auf die Prädestination, ergeben sich entweder aus diesem wissenschaftlichen Neuansatz Barths oder sind auf persönliche Erfahrungen und Erlebnisse, die sich aus Barths Lebensweg ergeben, zurückzuführen, wie beispielsweise der besondere Widerwille Barths gegen allen Pietismus. Wollen wir von hier aus den gefundenen Zusammenhang zwischen Barth und den Blumhardts näher bestimmen, so erhalten wir zwei Grenzlinien, innerhalb deren der Ort dieses Zusammenhangs liegen muß. Er ist einerseits mehr als bloße Parallelität des theologischen Denkens, denn Barth hat die Blumhardts direkt gekannt und ist ihnen verpflichtet, er ist andererseits aber auch weniger als direkte Abhängigkeit Barths von den Blumhardts, denn Barth hat die Verkündigung der Blumhardts wohl aufgenommen, sie aber fortentwickelt und von einer anderen Position aus, zu einem anderen Zwecke neu zusammengestellt und bis in die letzten Konsequenzen verfolgt. Als einen Begriff, der zwischen diesen beiden Grenzlinien liegt, haben wir den Terminus "V e r w u r z e l u n g" gefunden und gewählt, wie er im Titel unserer Arbeit erscheint. Er besagt, daß Barths Denken seinen Ursprung wohl in der Verkündigung der Blumhardts hat, daß er diesem Ursprung aber nicht sklavisch verhaftet ist, sondern sich von ihm aus frei zu einer eigenen, festgeprägten Persönlichkeit auch in seinem eigenen theologischen Denken entwickelt hat. Wir können also feststellen, daß wir durch unsere Untersuchung dem Thema der Arbeit, die Verwurzelung der Theologie Barths in der Blumhardtschen Verkündigung nachzuweisen, gerecht geworden sind.
d) Es lag an unserer Aufgabenstellung, daß wir zu der vierten Feststellung, daß Barth nämlich nicht nur im Zusammenhang mit den Blumhardts steht, sondern daß auch andere Theologen auf ihn eingewirkt haben, von unserem Vergleich des Denkens Barths mit der Verkündigung der Blumhardts her nicht viel beitragen konnten. Ein solcher Vergleich ist nicht in der Lage, außerhalb seiner Vergleichsobjekte liegende Tatsachen und Entwicklungen ins Blickfeld zu bekommen. Wir müssen uns also hier darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß durch unsere Untersuchungen diese vierte Feststellung zwar nicht bestätigt, aber auch nicht außer Kraft gesetzt worden ist, wie es sich vor allem in dem von uns beobachteten Einfluß der Dialektik Kierkegaards auf das Barthsche Denken der zweiten Periode zeigt.



2.) Die Bedeutung des Zusammenhangs Barths mit den beiden Blumhardts

Aus dem Ergebnis der Arbeit, der festgestellten Verwurzelung des theologischen Denkens Barths im Kerygma der beiden Blumhardts vom Reiche Gottes, ergeben sich Konsequenzen, die in ihrer Bedeutung und Reichweite hier noch kurz angedeutet werden sollen. Sie ergeben sich natürlich vor allen Dingen für das Verständnis der frühen Theologie Barths, das, wie wir in unserer Literatur-Übersicht gezeigt haben, schwankt und nicht zur Ruhe kommen will. Wenn es als Tatsache angesehen und entsprechend berücksichtigt wird, daß das gesamte theologische Denken Barths, wie es uns in den beiden Auflagen des Römerbriefkommentars und den sie umgebenden Schriften entgegentritt, seine Herkunft in der Reichgottesbotschaft der Blumhardts hat, sich von diesem Ausgangspunkt aus entwickelt und dieses Kerygma der Blumhardts zu seiner Theologie umgestaltet und erweitert hat, ist es möglich, in zwei in der Literatur immer wieder aufgenommenen großen Fragen zu einem definitiven Abschluß zu gelangen und damit das Verständnis Barths auf eine gesicherte Grundlage zu stellen, von der aus dann weiter geforscht werden kann. Es wird dann das eigentliche Anliegen Barths klar, das mit dem der Blumhardts identisch sein muß und kurz als die "Ehre Gottes unter den Menschen" bezeichnet werden kann, und es wird die theologische Herkunft Barths eindeutig bestimmt, die auf die beiden Blumhardts zurückgeht, deren Verkündigung die Theologie Barths aufs tiefste beeinflußt und geformt hat. Damit sind aber gleichzeitig zwei wichtige Abgrenzungen zu vollziehen, mit Hilfe derer die Uneinigkeit und Gegensätzlichkeit der Auffassungen über das Wesen der Barthschen Theologie stark eingeschränkt werden können. Es ist nämlich deutlich, daß alle philosophischen Systeme und Anschauungen, die sich bei Barth bemerkbar machen, nur am Rande seines eigentlichen Denkens stehen können, daß alle Verständnis-Versuche Barth nicht gerecht werden, die ihn hauptsächlich von der Philosophie her verstehen und diese bei ihm in den Vordergrund stellen. Wenn das Ergebnis unserer Arbeit allgemein anerkannt wird, ist es nur noch möglich, nach der t h e o l o g i s c h e n Intention, die selbstverständlich auch in philosophischem Gewand erscheinen kann, und nach den t h e o l o g i s c h e n Vorfahren des Barthschen Denkens, die natürlich als solche gegebenenfalls auch Philosophen sein können, zu fragen; der Kreis, der nun noch übrig bleibt, wird dadurch nochmals eingeengt, daß alle theologischen Anliegen Barths in bestimmter Verwandtschaft, in gewisser Nähe zu dem Hauptanliegen der Blumhardts, zu ihrer Reichgottesverkündigung, daß alle theologischen Lehrer Barths in sachlich, nicht unbedingt persönlich positiver Beziehung und Hinwendung zu den beiden Blumhardts stehen müssen. Wir haben in unserer Darstellung des theologischen Denkens Barths von vornherein versucht, ein solches Verständnis Barths als eines T h e o l o g e n durchzuführen und glauben, daß dieser Versuch durchaus gelungen und die Möglichkeit einer solchen Barth-Auffassung damit gerechtfertigt ist. Das Ergebnis der Arbeit lehrt uns darüber hinaus, daß nur in dieser Richtung ein wirklicher Fortschritt über die bisherigen Leistungen der Barth-Forscher hinaus, ein wirkliches Näherkommen an den Barth der zwanziger Jahre möglich ist. Es würde den Rahmen unserer Arbeit bei weitem übersteigen, von diesen Erkenntnissen aus in eine eingehende Auseinandersetzung mit der von uns dargestellten Barth-Literatur einzugehen. Es sei lediglich gestattet, auf die Arbeiten von Urs von Balthasar, Bultmann, Haitjema, Heinzelmann, Keller, Köpp und Strauch als verheißungsvolle Ansätze in der von uns geforderten und als notwendig erwiesenen Richtung hinzuweisen, denen als abschreckende Beispiele eines vollkommenen Mißverständnisses Barths die Schriften von Bohlin, Bruhn, Eichhorn, Messer, Öpke, Schmidt und Werner gegenüberzustellen wären, während alle anderen Aufsätze und Bücher über Barth, die von uns untersucht wurden, zwischen diesen beiden Gruppen mitten drin stehen.

Das Verständnis des theologischen Werdens und Wollens der Blumhardts ist bei weitem nicht so umstritten wie das bei Barth der Fall ist. Der Vorwurf, der ihnen vom lutherischen Standpunkt aus gemacht wird, daß sie gewisse Elemente des christlichen Glaubens, besonders die Eschatologie, überspitzen und dafür andere wesentliche Züge, wie die Rechtfertigungslehre, nicht genügend berücksichtigen, lag außerhalb unserer Betrachtung; von der Beeinflussung Barths durch die Blumhardts her läßt sich dazu nichts weiter sagen, als daß diese Einseitigkeit auch auf Barth übergegangen sein müßte, wenn dieser Vorwurf stimmt. Eine diesbezügliche Untersuchung, die eine kritische Würdigung der Theologie der Blumhardts und Barths von der Offenbarung Gottes in Christus, von der Heiligen Schrift her bedeuten würde, gehört nicht zu unserem Arbeitsbereich. So können wir als einzige Konsequenz, die die Verwurzelung des theologischen Denkens Barths im Kerygma der Blumhardts für das Verständnis der Blumhardts bedeutet, nur dies anführen, daß damit die Leistung und das Verdienst der Blumhardts mit ihrer Reichgottesbotschaft bedeutend unterstrichen wird, daß sich von daher für die evangelischen Theologen die Forderung ergibt, die Blumhardts viel ernster zu nehmen und ihnen weit stärkere Aufmerksamkeit zu widmen, als sie das bisher getan haben, auch wenn es sich bei ihnen nur um einfache Prediger des Gotteswortes, nicht um eigentliche wissenschaftliche Theologen handelt. Wir haben gesehen, was aus einer "schlichten" Botschaft alles entstehen kann! (nachträglich Markierung)
3.) Konkrete Aufgaben für die weitere Barth-Forschung

Auf zwei ganz bestimmte konkrete Aufgaben, die sich aus dem Ergebnis unserer Arbeit für die weitere Untersuchung der frühen Theologie Karl Barths ergeben, müssen wir jetzt noch aufmerksam machen. Sie sind bedingt durch unsere induktive Arbeitsmethode, durch die wir zu dem Ergebnis der Arbeit, zum Nachweis der Verwurzelung des Barthschen Denkens in der Blumhardtschen Verkündigung gelangt sind. Diese induktive Methode verlangt unbedingt eine Ergänzung und Fortführung der Arbeit mit Hilfe einer ihr entgegengesetzten deduktiven Arbeitsmethode, durch die allein der der Arbeit zugrundeliegende Themenbereich vollständig ausgeschöpft werden kann, durch die unsere Ergebnisse weitergeführt, gesichert und abgerundet werden müssen. Es handelt sich hierbei um die Fragen des Verlaufs der Entwicklung, innerhalb deren Barth durch den Einfluß der Blumhardts aus einem Herrmann-Schüler zu einem theologischen Neuerer im Geiste der Blumhardts geworden ist, nach dem Verhältnis des Zusammenhangs Barths mit den Blumhardts zu der für B. mit anderen Theologen oder auch Philosophen festzustellenden Verwandtschaft. Diese beiden Problem-Komplexe sind von der Voraussetzung der von uns gefundenen Verwurzelung Barths in der Gedankenwelt der Blumhardts her, also im deduktiven Schema, noch zu lösen. Erst wenn das geschehen ist, wird ein w i r k l i c h e s Verständnis des Wesens und der Entwicklung der Theologie Barths in den Jahren 1915-1924 vorhanden und von hier aus dann auch eine k r i t i s c h e Stellungnahme dazu möglich sein.

Zu diesen beiden Aufgaben können wir von unseren Erkenntnissen aus folgende Bemerkungen machen, die in der Lage sind, einer solchen Untersuchung die Richtung zu weisen. Der Einfluß der Blumhardts auf Barth beginnt ohne Zweifel bereits kurz nach Abschluß seiner Universitäts-Studien 1909 und erreicht seinen Höhepunkt und Abschluß noch vor dem Erscheinen der bereits voll der neuen Theologie zugehörigen Schriften von 1915. Wir haben diese Periode der Barthschen Entwicklung kurz untersucht und festgestellt, daß die Einwirkungen neuer Erkenntnisse auf Barth zunächst deutlich mit seiner Hinwendung zum Sozialismus verbunden sind, daß er aber später Mühe hat, diese neuen Linien unter dem Druck der selbständig werdenden sozialistischen Ideen festzuhalten und weiter zu entwickeln, bis er schließlich den Sozialismus zugunsten dieser Neuansätze in den Hintergrund drängt und damit die entscheidende Phase seiner neuen Theologie einleitet. Es läßt sich nun leicht denken, wie die Einflußnahme des Sozialismus auf Barth sich für ihn mit dem gleichzeitigen Kennenlernen des Blumhardtschen Gedankengutes verknüpfte. Der jüngere Blumhardt war ja selbst Sozialdemokrat und hat auch die Schweizer religiös-sozialen Kutter und Ragaz stark beeinflußt. Aus dieser Verbindung erklärt sich die anfängliche Einheit der sozialistischen mit den neuen theologischen Gedanken, die untrennbar miteinander verbunden von Barth aufgenommen wurden. Aber je länger, je mehr löste sich diese Verbindung, wie ja auch Kutter und Ragaz je stärker von Blumhardt abrückten, je offensichtlicher dieser in seiner vierten Periode seinen einseitig sozialistischen Standpunkt überwand. Auch bei Barth kam es zum Kampf um die Oberherrschaft, in dem das sozialistische Anliegen des Menschheitsglückes und das theologische Anliegen der Ehre Gottes, die erst nicht voneinander zu scheiden waren und eines das andere zu fordern und aus sich herauszusetzen schienen, miteinander lange Zeit unentschieden hin und her rangen, bis der Sieg sich dann nach langem Schwanken eindeutig auf die Seite der Theologie, der Ehre Gottes neigte. Auch in diesem Kampf kann die Bekanntschaft mit dem jüngeren Blumhardt einen entscheidenden Einfluß auf seinen endlichen Ausgang ausgeübt haben. Fest steht jedenfalls, daß Barth von 1915 an seine Entwicklung zur neuen Theologie a b g e s c h l o s s e n hat, nun die Verkündigung der Blumhardts s e l b s t ä n d i g in seine theologischen Bemühungen aufnimmt und weiter entwickelt, daß die Einwirkung der Blumhardts auf Barth also in der Hauptsache v o r diesem Zeitpunkt stattgefunden haben muß. Wir können auf diese Fragen jetzt nicht weiter eingehen und unsere Vermutungen beweisen, es scheint uns aber unerläßlich festzustellen, daß eine theologische Untersuchung dieser Fragen, die einige Aussicht auf Erfolg haben soll, ihren Einsatz in der Zeit der Entwicklung Barths von 1909-1914 zu nehmen und dort nach den Spuren, die die Verkündigung der Blumhardts bei B. hinterlassen hat, zu suchen hat. Dabei ist besonderer Wert zu legen auf die Verbindung Barths mit Kutter und Ragaz, durch die er wahrscheinlich erst zu den Blumhardts hingeführt worden ist. Auch der Einfluß Eduard Thurneysens, der noch eindeutiger ist als Barth besonders von Kutter und durch ihn also auch von den Blumhardts herkommt, auf Barth ist nicht zu unterschätzen. In diese angegebene Richtung führten auch persönliche Gespräche, die wir mit Prof. Karl Barth hatten und in denen er seine Verbindung zu den Blumhardts, über deren Reichweite und Bedeutung für seine frühe Theologie er sich begreiflicherweise keine volle gedankliche Rechenschaft ablegen konnte, auf der Linie Blumhardt-Kutter- (in vermindertem Maße auch Ragaz) -Thurneysen-Barth sah. Es ist also ein unserer Meinung nach sehr hoffnungsvolles Unternehmen, auf diese Weise den Hergang zu ergründen, wie es zu der Verwurzelung Barths im Kerygma der Blumhardts kam, die wir in unserer Arbeit in ihrer Wirklichkeit nachgewiesen haben. Gelingt dieses Unternehmen, so ist damit ein weiterer Beweis für die Richtigkeit unserer Feststellungen erbracht und das Verständnis Barths von den Blumhardts her zur vollen Evidenz gelangt.

Erst dann ist der Boden genügend fest begründet, der eine Beurteilung der Einflüsse auch anderer Theologen und Philosophen auf Barth gestattet. Es wird sich in einer solchen Untersuchung darum handeln, die Vielschichtigkeit und Mannigfaltigkeit der Theologie Barths, die ihr gegenüber der viel stärker einheitlichen und einlinigen Verkündigung der Blumhardts eignet, zu verstehen und in ihren Grundlagen darzustellen, wie sie sich aus dem Einwirken verschiedener geistiger Strömungen auf Barth ergeben hat, dabei aber niemals den Zusammenhang Barths mit den Blumhardts außer Acht zu lassen, der seiner ganzen Theologie Sinn und Gestalt gegeben hat. Es ist auf diese Weise durchaus möglich, den Einflüssen der verschiedensten Theologen und Philosophen auf Barth, ohne sie zu verfälschen oder sie zu begatellisieren, Rechnung zu tragen, ihre positive oder auch negative Bedeutung, deren Anliegen ja auch Barths eigenes Anliegen gewesen ist, für die Theologie Barths zu erkennen und somit den theologischen Weg Barths, den er in den Jahren 1915 bis 1924 gegangen ist, zu beschreiben und in seinen Voraussetzungen und Wirkungen zu überblicken. Wir brauchen dabei keine falsche Scheu walten zu lassen, die Erkenntnisse unserer Arbeit könnten umgestoßen werden, es ist durchaus nicht nötig, daß gewisse Einflüsse vielleicht übergangen werden, weil sie zu diesen Ergebnissen nicht zu passen scheinen, es können alle Beziehungen Barths zu den entlegendsten Punkten des menschlichen Denkens, die in der Barth-Literatur bereits entdeckt worden sind oder noch entdeckt werden sollten, ohne Furcht, damit unangenehme Erfahrungen zu machen, herangezogen werden. Das alles wird am Ende diese Ergebnisse nur bestätigen und bekräftigen müssen, indem sämtliche theologischen und philosophischen Abhängigkeiten Barths die Verwurzelung seines Denkens im Kerygma der Blumhardts nur modifizieren, d. h. verstärken und sichern, oder auch abschwächen und verschieben können, während diese selbst unverändert erhalten bleibt, vorausgesetzt, daß es mit ihr seine Richtigkeit hat, was für uns außer allem Zweifel steht. Wenn Barth wirklich der Theologe des "Soli deo gloria" ist, als den wir ihn erkannt haben, dann können auch der Neuplatonismus und Hegel nichts daran ändern, sondern seiner Theologie nur eine bestimmte Farbe verleihen, die nur ihr eigentümlich ist, dann heben das auch Overbeck und Kierkegaard nicht auf, sondern geben seinem Denken nur das Rüstzeug, an dieser Wahrheit unbeirrbar festhalten zu können.